Grundsatz: Der Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat mit Beschluss vom 26. Juni 2023 entschieden, dass die arbeitgeberseitigen (hier: des Dienstherrn aufgrund des öffentlich-rechtlichen Bezugs des Falls) Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht für die Erfüllung von „Mehrurlaub“ gelten (5 LA 119/22).
Dogmatik: Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gelte nur für den bezahlten Mindestjahresurlaub, nicht jedoch für Urlaub, der über dieses Maß hinausgehe („Mehrurlaub“). Demnach sei der „Mehrurlaub“ nicht davon abhängig, dass der Arbeitgeber (hier: Dienstherr) seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten erfülle.
Praxistipp: Diese Entscheidung überzeugt dogmatisch! Der Arbeitgeber hat grds. die Obliegenheit, seine Mitarbeiter darauf aufmerksam zu machen, dass sie den (gesetzlichen) Urlaub im laufenden Kalenderjahr beantragen und nehmen sollen, andernfalls würde er verfallen. Kommt er dieser Obliegenheit nicht nach, würde der nicht genommene Urlaub des Mitarbeiters im laufenden Kalenderjahr hingegen nicht verfallen. Dies bezieht sich jedoch auf den gesetzlichen Urlaub. Ein zusätzlicher Urlaub – festgehalten entweder in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder in einem Arbeitsvertrag – ist ein Verhandlungsergebnis, welches nicht den strengen gesetzlichen Vorgaben unterliegt. Damit kann der „Mehrurlaub“ auch eher übertragen werden, sodass die strengen Obliegenheiten des Arbeitgebers (hier: Dienstherrn) hier nicht zur Anwendung kommen. Diese Rechtsprechung sollten daher alle Arbeitgeber und Mitarbeiter kennen!