Grundsatz: Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit Urteil vom 04. Juli 2024 entschieden, dass der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch keine Anwendung finde auf Arbeitsverhältnisse, die nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz i.S.d. Kündigungsschutzgesetzes unterliegen (29 Ca 110/24).
Voraussetzung für § 102 Abs. 5 BetrVG: Voraussetzung für die Anwendbarkeit des betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruchs gem. § 102 Abs. 5 BetrVG sei es, dass das Arbeitsverhältnis den Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes unterfalle. Andererseits, so wie bspw. hier, wenn die Wartezeitfrist des § 1 Abs. 1 KSchG noch nicht abgelaufen sei, könne dieser Anspruch i.S.d. § 102 Abs. 5 BetrVG nicht geltend gemacht werden.
Praxistipp: Diese Entscheidung überzeugt dogmatisch! Der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch gem. § 102 Abs. 5 BetrVG steht im Licht der Widerspruchsmöglichkeit des Betriebsrats gegen ordentliche Kündigungen, obgleich diese dadurch nicht verhindert werden können; so die grammatikalische Auslegung der § 102 Abs. 3, 4 BetrVG! Rechtsdogmatisch ergibt sich dies dadurch, dass es sich bei dem Anhörungsrecht des Betriebsrats zu beabsichtigten Arbeitgeberkündigungen gem. § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG um ein Mitwirkungs-, nicht aber um ein Mitbestimmungsrecht handelt. In diesem Kontext steht auch der Anspruch aus § 102 Abs. 5 BetrVG. Um die betriebsverfassungsrechtlichen Schutzgrenzen allerdings nicht zu weit auszuweiten, ist es dogmatisch stringent, den Weiterbeschäftigungsanspruch allein auf Arbeitsverhältnisse zu beziehen, die auch dem originären Kündigungsschutzrecht unterliegen. Andernfalls könnte es zu einer widersprüchlichen Wertung kommen, wenn der betroffene Arbeitnehmer kollektivarbeitsrechtlich besser gestellt werden würde als er individualarbeitsrechtlich Rechte geltend machen könnte; Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 KSchG ist es, dass der Arbeitnehmer sich nur gegen Arbeitgeberkündigungen beim zuständigen Arbeitsgericht wehren kann, wenn er über eine zumindest kurze Betriebszugehörigkeit verfügt. Diesen Telos gilt es zu wahren, darf nicht durch § 102 Abs. 5 BetrVG umgangen werden können, käme dies einem dogmatischen Widerspruch gleich! Diese Rechtsprechung sollten dennoch alle Arbeitgeber und Betriebsratsmitglieder kennen!