Grundsatz: Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteilen vom 16. Dezember 2021 (5 Sa 752/19) sowie vom 15. April 2021 (11 Sa 490/20) entschieden, dass der Betriebsratsvorsitzende im Sinne einer Rechtsscheinvollmacht rechtmäßig handeln könnte.
Rechtsscheinvollmacht: Bei Vorliegen einer Rechtsscheinvollmacht könnte der Betriebsratsvorsitzende rechtmäßig für den Betriebsrat handeln – ohne Beschluss –, wenn der Betriebsrat das Handeln des Vorsitzenden ohne Beschluss kannte und der Geschäftsgegner auf den so gesetzten Rechtsschein vertraut hat und nach Treu und Glauben auch darauf vertrauen durfte.
Praxistipp: Diese Entscheidung überzeugt nicht dogmatisch! Nach absolut herrschender Meinung entspricht es dem betriebsverfassungsrechtlichen Grundsatz, dass der Betriebsratsvorsitzende lediglich das sog. „Sprachrohr“ des Betriebsrats ist und damit nur auf Grundlage von – von dem Gremium vorab gefassten – Beschlüssen handeln darf. Dies entspricht im Übrigen dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 S. 1 BetrVG. Obgleich es das Rechtsinstrument der Rechtsscheinvollmacht unstreitig gibt, ist es im Betriebsverfassungsrecht doch mit allergrößter Sorgfalt und Sorge zu betrachten. Dessen Anwendbarkeit widerspricht dem gesetzgeberischen Willen und ist auch in der Betriebsratspraxis eigentlich nicht anzuwenden. Zu leicht wird es ansonsten der Arbeitgeberseite gemacht, auf das – rechtmäßige – Handeln des Betriebsrats bzw. dessen Vorsitzenden. Und damit auch Vertreter Einfluss zu nehmen. Die Entscheidung des Gerichts öffnet damit dem Arbeitgeber Tür und Tor, zu entscheiden, ob er darauf vertrauen durfte. Es dürfte mehr als nur mühselig sein, in einem späteren arbeitsgerichtlichen Prozess klären zu müssen, was der Arbeitgeber nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) erkennen und annehmen durfte und was nicht. Mit Blick auf die Betriebsratspraxis ist diese Entscheidung unerklärlich – und zeigt deutlich auf, dass das Gericht von der alltäglichen Betriebsratsarbeit und den Schwierigkeiten und Tücken, mit denen sich die Betriebsräte tagtäglich konfrontiert sehen, leider überhaupt keine Ahnung hat! Diese Entscheidung sollten die Betriebsräte mit allergrößter Skepsis lesen – und sie wären gut beraten, dieser nicht (!) zu folgen!