Grundsatz: Das Arbeitsgericht Braunschweig hat mit Urteil vom 10. Februar 2020 entschieden, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wie das Anhörungsverfahren gem. § 102 Abs. 1 BetrVG auszusehen habe 8 Ca 334/18).
Dogmatik: Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat vor der geplanten Kündigung ordnungsgemäß zu unterrichten über Sachverhalt und Kündigungsgrund
- Notwendiger Inhalt der Unterrichtung: Der notwendige Inhalt der Unterrichtung richtet sich nach Sinn und Zweck der Anhörung
- Telos: Dieser besteht darin, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht, d.h. ggf. zugunsten des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeber einzuwirken (ArbG Braunschweig, Februar 2020)
- Subjektivität: Die Unterrichtung ist deshalb grundsätzlich subjektiv determiniert, weshalb der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Umstände mitteilen muss, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (BAG, Februar 2015)
- Prüfung: Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung bilden können
- Umfang: Die Anhörung soll dem Betriebsrat nicht die selbstständige – objektive – Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern ggf. eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen (BAG, Juni 2006)
- Arbeitgeberverpflichtung: Der Arbeitgeber kommt seiner Verpflichtung dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet
- Rechtsfolge: Schildert er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen – und damit irreführenden – Kündigungssachverhalt, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann, ist die Anhörung unzureichend und die Kündigung unwirksam (BAG, Februar 2015)
- Telos: Dieser besteht darin, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht, d.h. ggf. zugunsten des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeber einzuwirken (ArbG Braunschweig, Februar 2020)
Praxistipp: Diese Entscheidung überzeugt dogmatisch! Sie steht im Kontext der BAG-Rechtsprechungen zu diesem Themenkomplex und sollte von allen Betriebsräten gekannt werden; dabei vorrangig, da grundlegend, die Rechtsansicht des Bundesarbeitsgerichts.